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Linkslinkes Gewäsch.

Predigt im Oktober 2023 – Messiaskapelle

Vor wenigen Wochen feierte eine amerikanische ihren Sonntagsgottesdienst.

Viele Menschen versammelten sich so wie hier, um miteinander zu singen, zu beten, Gemeinschaft zu pflegen.

Es war ein schönes Fest, Fromme Menschen sind zusammengekommen.

Nach den Liedern zu Beginn, der Begrüßung durch den Pfarrer und die ersten Gebete stand nun auch die biblische Lesung am Programm.

Jemand schnappte sich also die Bibel und begann, die Seligpreisungen aus dem Matthäus-Evangelium vorzulesen, wir haben sie ja auch so eben gehört.

Und während da vorne auf der Bühne oder beim Alter aus den Seligpreisungen vorgelesen wurde, sprang plötzlich ein Mann auf und rief in die Menge…

Liebe Gemeinde!

Vor wenigen Wochen haben wir hier Konfirmation gefeiert. Vielleicht war ja der ein oder andere von euch mit dabei.

Es ging um die vielen Stimmen, die wir im Laufe unseres Lebens und im Alltag zu regelmäßig zu hören bekommen. Unseren Jugendlichen haben wir diese Botschaft mitgegeben: achtet darauf, auf welche Stimme ihr hört. Und versucht doch, in eurem Leben die Stimme Jesu wahrzunehmen. Sie gibt euch Orientierung und zeigt euch den Weg zu Gott, den Weg zu einem Leben in Fülle. Und ich habe ergänzt: das ist natürlich keine einfache Aufgabe. Es ist eine Aufgabe, die uns ein ganz Leben lang begleitet.

Wenn wir uns hier am Sonntag Vormittag versammeln, um miteinander Gottesdienst zu feiern, dann tun wir das, um die Stimme Jesu zu hören.

Vielleicht ist verständlicher, wenn wir sagen: wir treffen uns hier nicht nur, um uns miteinander zu treffen, sondern weil wir auch Gott begegnen wollen. Und wir wissen ja, was uns Jesus versprochen hat: wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.

Im Mittelpunkt des heutigen Gottesdienstes steht Jesus und das, was er uns zu sagen hat.

Denn Jesus ist mehr als nur unser Erlöser und Retter und Heiland – Begriffe, die heutzutage für viele nur noch schwer verständlich sind und Sprachbilder, die dringend durch neue ergänzt – nicht ersetzt – aber ergänzt gehören.

Jesus hatte was zu sagen, Jesus hat uns was zu sagen.

Denn Jesus ist nicht einer, der vor 2000 Jahren gelebt hat.

Sondern wir bekennen ihn als wahren Mensch und wahren Gott und glauben, dass er heute noch mitten unter uns ist und mit uns spricht – auch wenn wir ihn vielleicht nicht im klassischen Sinne hören.

Und weil wir ihn nicht im klassischen Sinne hören, müssen wir entsprechend achtsam sein.

Denn wenn wir unser Leben in den Blick nehmen, dann werden wir merken, dass wir tagtäglich ganz schön viel zu hören bekommen. Umso notwendiger wird angesichts dessen darauf zu achten, welche Stimme wir hören, welchen Stimmen wir Einfluss auf unser Leben geben. Ob es eine Stimme ist, die uns zur Liebe, zur Nächsten- und Gottesliebe führt. Oder uns anstiftet zu Neid, Zorn, Missgunst, Hass usw.

Ich habe dieser Tage eine interessante Ansprache gefunden, aus der ich gerne zitieren mag: „Wenn man sich in seinem Leben an der Weggabelung befindet, an der man überlegt, ob der Weg des Hasses sinnvoll ist für sein Leben aus dem ein oder anderem Grund … dann will dich wissen lassen, wo dieser Weg endet. Ich möchte, dass du ganz klar siehst und erkennst, dass die ganze Zeit hindurch, durch die Geschichte, Hass immer der einfache Weg war. Aber lasst mich eines klar stellen: man wird am Ende des Weges nicht auf Erfolg stoßen. Man wird keine Erfüllung oder Glück finden. Denn Hass brennt schnell und hell. Und auch wenn man sich einen Moment lang stark fühlt, am Ende wird es dich brechen. Es ist der Weg der Schwachen. Und aus diesem Grund gab es auf der Welt auch noch nie eine erfolgreiche Bewegung, die auf Hass gegründet war. Denkt darüber nach. Die Nazis. Verlierer. Die Apartheid Bewegung: Verlierer! Und die Liste geht weiter und weiter.“

Kluge Worte eines klugen Mannes, veröffentlicht vor wenigen Monaten.

Und wer hat’s gesagt!

Vielleicht ist die Jesus-Bewegung ja deswegen so erfolgreich, weil sie nicht auf Hass gebaut ist. Ganz im Gegenteil. „Die Liebe treibt uns an“ – das ist die rote Linie, die sich durch die ganze Bibel zieht.

Als Christinnen und Christen sind wir aufgerufen, uns immer wieder an den Worten Jesu auszurichten, auf ihn zu hören und seine Worte, seine Botschaft ernst zu nehmen.

Als Christinnen und Christen, aber auch als christliche Gemeinde.

Von einer amerikanischen Gemeinde war am Beginn der Predigt die Rede.

Und davon, dass auch in dieser Gemeinde bei der Lesung die Seligpreisungen vorgetragen wurde.

Und während so daraus gelesen wurde, sprang ein Mann auf und rief: „„Was ist das denn für ein Unsinn? Jesus ist viel zu schwach! Das ist doch nur linksliberales Gewäsch!“

Liebe Gemeinde! Was soll man dazu sagen, außer vielleicht: ja, da hat jemand Jesus mal wirklich ernst genommen. Beim Wort, beim dem was er gesagt hat.

Auch wenn wir vielleicht davon ausgehen, dass man eigentlich anders auf seine Worte reagieren sollte.

„Was ist das denn für ein Unsinn? Jesus ist viel zu schwach! Das ist doch nur linksliberales Gewäsch!“

Ich habe diese Geschichte – übrigens schon wieder so eine vermeintliche Sommerlochgeschichte – gelesen und mir gedacht: da hat jemand tatsächlich ganz viel vom Wesen Jesu begriffen und von seiner Botschaft.

Denn machen wir uns nichts vor. Vor 2000 Jahren wurde Jesus mitunter auch deswegen an Kreuz genagelt, weil seine Botschaft viele Menschen vor den Kopf gestoßen hat. Weil er mit seinem Leben, mit seiner unendlichen Liebe, aber auch mit seiner Lust an der Provokation Menschen herausgefordert und an ihre Grenzen gebracht hat.

Manchmal frage ich mich: haben wir Jesus einmal zu oft in die Waschmaschine gesteckt und es mit dem Feinwaschgang und dem Weichspüler übertrieben?

Wann hatten wir zum letzten Mal das Gefühl, von Jesu Worten und Jesu Ansatz provoziert oder an die eigenen Grenzen gebracht worden zu sein?

Noch einmal zurück zu den Seligpreisungen. Wir wären nicht hier, wenn wir nicht die Worte Jesu ernst nehmen würden. Wenn wir ihnen nicht einen gewissen Stellenwert in unserem Leben einräumen würden. Oder, wenn wir nicht zumindest ein klitzekleines Interesse daran hätten, was uns dieser Jesus vielleicht zu sagen, was uns seine Botschaft vielleicht zu sagen hätte.

Die Seligpreisungen legen auch für den überzeugtesten Christen, die überzeugteste Christin die Latte hoch. So hoch, dass Martin Luther meinte, die Seligpreisung soll uns vor Augen führen, dass wir auf die Gnade Jesu voll und ganz angewiesen sind, weil an dem Anspruch der Seligpreisungen nur jeder und jede scheitern kann.

Das ist ja die befreiende Botschaft der Reformation, an die wir im Oktober ja in besonderer Weise denken: dass wir uns nicht das Heil verdienen müssen. Dass wir zwar diesen Anspruch haben, aber wir von Gott nicht darüber definiert werden, wie sehr und wie gut wir diesem Anspruch Jesu gerecht werden.

Sondern dass wir unser Bestes geben und versuchen aus einer Dankbarkeit heraus. Aus Dankbarkeit für die Gnade, die uns und unserem Leben zuteil wird und die wir nicht verlieren können.

Eines ist für mich jedenfalls klar: die Ansprüche Jesu an uns mögen hoch sein, aber seine Worte sind heute noch genau so aktuell wie vor 2000 Jahren. Oder soll ich sagen: seine Botschaft wird heute noch sehr gebraucht wie damals, als sie vor 2000 Jahren erstmals verkündigt wurde. Er ist auch heute noch Weg, Wahrheit, Leben.

Und wie würde die Welt aussehen, wenn die Menschen mehr versuchen würde, sich mehr an ihm und seinen Worten, seiner Botschaft auszurichten? Ich denke da in diesen Tagen ganz speziell an die Worte, die in der Bibel recht bald nach den Seligpreisungen kommen: 43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, 45 auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“

Am Ende dieser Predigt lade ich euch – und mich ein – Jesu Worte und seine Botschaft ernst zu nehmen. Wir müssen ja nicht gleich damit anfangen, besonders linke oder schwache Passagen aus dem Neuen Testament zu entfernen, so wie es einige wenige evangelikale Gemeinden in den USA fordern.

Amen   

Von Stefan Janits

Evangelischer Theologe und Journalist. Ich schreibe hauptsächlich für evangelische Medien in Österreich über die Themen Religion und Gesellschaft.

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