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Predigt Religion

Die Gedanken sind frei… aber nicht immer gut!

Predigt zur Online-Andacht der Lutherischen Stadtkirche am 13. Mai 2020

Screenshot Youtube

„Bye Bye Democracy“
„Impf-Terrorismus“
„Zählt keine 2. Meinung, ist jede Entscheidung alternativlos?“
„Tschüß WHO, Tschüß GATES, Pharma Lobby stoppen”

Das stand auf einigen Plakaten, die am vergangenen Wochenende bei einer sogenannten „Hygiene-Demo“ in Berlin in die Höhe gehalten wurden.

Es scheint, als ob die Corona-Krise trotz „social distancing“ ganz unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Und damit meine ich etwa nicht nur die Studierenden, die plötzlich für ältere Nachbarinnen und Nachbarn einkaufen gehen. Sondern damit meine ich auch all jene, die jetzt auf die Straßen gehen, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu demonstrieren. So etwa am vergangenen Wochenende in Berlin. „In Wut vereint“ titelte die Süddeutsche Zeitung und zeigte auf, dass sich Esoteriker und Hooligans, extreme Linke und Menschen, die sich sonst kaum für Politik interessieren, gemeinsam auf die Straße begeben, um zu protestieren. „Eine gefährliche Mischung“, so die Süddeutsche Zeitung.

Online-Andacht Lutherische Stadtkirche Wien

Auch im Internet finden sich immer mehr Menschen zusammen, die sich über das Corona-Virus austauschen. Neben echten Sorgen und Ängsten, die ernst genommen werden müssen, finden sich dabei auch abstruse Verschwörungstheorien. Es werden vermeintliche Wahrheiten über das Corona-Virus, die Weltgesundheitsorganisation und über die Demokratie im Allgemeinen verkündet, die angeblich von den Mainstream-Medien im Auftrag der Mächtigen und der Pharmalobby vertuscht werden sollen.

Das Argument kommt überhaupt oft: die Wahrheit würde unterdrückt werden. Die eigene Meinung dürfe nicht mehr gesagt werden. Dabei veröffentlichen sie ihre Anschauungen lautstark in den sozialen Medien. Sie sprechen vor großem Publikum bei angemeldeten und unangemeldeten Demonstrationen. Und auch die Medien widmen ihnen immer wieder Berichte, Reportagen und Kommentare.

Wer wird da nicht gehört?
Wer darf da nicht seine Meinung sagen?
Wem ist es nicht erlaubt, seine persönlichen Ansichten mitzuteilen?

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten“, so lautet der Beginn eines bekannten Volksliedes. Um das Jahr 1780 ist der Text des Liedes zum ersten Mal auf einem Flugblatt gedruckt worden. Ein halbes Jahrhundert später ist dann die Melodie dazugekommen.

Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie Wissen,
Kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.

Die Gedanken sind frei

Die Gedanken sind frei – und zu keiner Zeit der Geschichte durften Menschen so frei ihre Meinung und ihre Gedanken äußern wie zu unserer Zeit.

Die Gedanken sind frei.
Aber, die Gedanken sind nicht immer gut.
Und so mancher Gedanke entpuppt sich im Laufe der Zeit sogar als Hintergedanke.
Also als eine Absicht, die das Handeln einer Person beeinflusst, aber nicht offen ausgesprochen wird.

Nur um das klar zu stellen:
Jede Bürgerin und jeder Bürger soll eine kritische Grundhaltung nicht aufgeben.
Und sich regelmäßig zu fragen, ob in der Politik, in der Wirtschaft und in unserer Gesellschaft alles richtig läuft, ist mehr als nur legitim.
Auch die Maßnahmen der Behörden zur Eindämmung der Pandemie dürfen einer kritischen Kontrolle unterzogen werden.

War jedes Verbot notwendig und rechtens?
Wurde alles getan, was getan werden musste?
Stand der Mensch im Mittelpunkt der Bemühungen oder geht und ging es darum, der Wirtschaft so wenig Schaden wie möglich zuzufügen?

„Die Gedanken sind frei…“
Aber die Gedanken sind nicht immer gut.
Und so mancher Gedanke entpuppt sich im Laufe der Zeit als Hintergedanke.

Für Außenstehende ist es oft schwierig zu erkennen, welche Gedanken wirklich hinter einer geäußerten Meinung stehen. Welche Gedanken Menschen dazu bringen, andere Menschen aufzuhussen und aufzustacheln. Welche Gedanken Menschen haben, die bei Anderen Ängste schüren und Unsicherheit ausnutzen. Die statt einem Miteinander ein Gegeneinander provozieren.

Wir erkennen es oft nur schwer, aber in der Bibel lesen wir:

„Du, Gott, kennst ja die verborgensten Gedanken der Menschen und siehst ihnen ins Herz.“

1. Samuel 8,39

Dieser Bibelspruch, die Tageslosung für heute, ist aus dem 1. Buch Samuel, Kapitel 8. In diesem Abschnitt, der den Tempel als Haus des Gebetes beschreibt, schildert König Salomo den Ewigen als einen Gott, der nicht teilnahmslos das Leben der Menschen beobachtet und dem Schicksal seinen Lauf lässt. Sondern als einen Gott, der den Menschen gegenüber auf der einen Seite so handelt, „wie es jeder verdient“ (1. Kön 8,39), aber sich gleichzeitig all jenen Gegenüber barmherzig und gnädig erweist, die um Vergebung bitten für das, was sie falsch gemacht haben.

Darin spiegelt sich die Vorstellung wider, dass auf Gutes tun auch Gutes folgt. Und auf Schlechtes tun auch Schlechtes folgt. Es verbindet sich damit die Hoffnung, dass jene, die Böse Gedanken hegen, deren Hintergedanken furchtbare Absichten beinhalten und deren Taten schaden und nicht dem Guten dienen, auf Dauer keinen Erfolg haben werden.

Es verbindet sich damit die Hoffnung…
Wir alle haben schon die Erfahrung gemacht und machen sie immer wieder, dass gerade jene durchkommen, die Böses im Schilde führen und andere betrügen und hintergehen. Dass Erfolg hat, wer Ellbogen einsetzt und rücksichtslos agiert. Dass als Erster zum Ziel kommt, wer andere ausbremst und auf Langsamere keine Rücksicht nimmt.

Die Hoffnung aber ist da, uns sie bleibt da und sie ist stark. Die Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass sich das Böse durch das Gute überwinden lässt. Das die Letzten die Ersten sein werden. Dass die Liebe stärker ist und die Liebe siegt. Und dass sich Menschen immer wieder in Dienst nehmen lassen für das Gute, das Wahre und das Schöne.

Im sogenannten Lehrtext aus dem Neuen Testament, welcher der heutigen Tageslosung hinzugestellt wurde, heißt es:

Gott, unser Vater, hat uns seine Liebe erwiesen und uns in seiner Gnade einen ewig gültigen Trost und eine sichere Hoffnung geschenkt. Wir bitten ihn und unseren Herrn Jesus Christus,
euch getrost und mutig zu machen und euch Kraft zu geben zu allem Guten, in Wort und Tat.

2. Thessalonicherbrief 2,16-17

Amen

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Von Stefan Janits

Evangelischer Theologe und Journalist. Ich schreibe hauptsächlich für evangelische Medien in Österreich über die Themen Religion und Gesellschaft.

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